Was würde geschehen, wenn man Menschen ein Paradies zum Leben geben würde, in dem sie alles haben, was sie brauchen, ohne sich anzustrengen ?

Michael Weilguny Osterinseln 2012

Unten angeführten, spannenden Artikel habe ich auf Quora gefunden.
Er ist etwas lange, und das Experiment ist schon länger her aber umso aktueller.
Stichworte, die mir dazu einfallen sind, #Bedingungsloses Grundeinkommen, #Überbevökerung, #Osterinseln #Wer keine hat, macht sich die Probleme selbst.

Ich denke, was in diesem Experiment passiert, ist auf den Osterinseln geschehen (Selbstausrottung) und beschreibt ein mögliches Zukunfts-Szenario der Menschheit auf unserem Planeten.

Artikel:
Was würde geschehen, wenn man Menschen ein Paradies zu Leben geben würde, in dem er alles hat, was er braucht, ohne sich anzustrengen?
von Luise Schulz

(Vorwort: Ich bin tieftraurig nach diesen Recherchen.)

Es wurden Experimente dazu durchgeführt, die uns zeigen können, in welche Richtung sich so ein Paradies entwickeln könnte.

Es war der amerikanische Verhaltensforscher John Calhoun, der sich diese Frage gestellt hatte.

Um herauszufinden, was in einem Paradies geschehen würde, schuf er ein „Mäuseparadies“.

Im Juli 1972 steckte er 8 weiße Mäuse in einen extra dafür geschaffenen Raum mit 2 mal 2 Metern Durchmesser. Die 1,3 Meter hohen Wände waren oben offen, damit er die Tiere jederzeit beobachten konnte.

Das nannte er „Universum 25„.

Er arbeitete mit Mäusen, aber seine Forschung hat zum Ziel, Zukunftsprognosen für die menschliche Gesellschaft zu treffen.

Er führte zahlreiche Experimente mit Mäusekolonien durch und prägte dann einen neuen Begriff:

Verhaltenssenke.

Er beschreibt den Übergang des Verhaltens einer Gruppe ins Zerstörerische und Deviante. Das geschah in den Experimenten immer dann, wenn die Bevölkerungsdichte stieg und sich in Richtung Überbevölkerung bewegte .

Universum 25 war sein berühmtestes Experiment.

Er hatte einen „perfekten“ Ort geschaffen.

Es herrschte die für Mäuse perfekte Temperatur, 20 Grad. Es gab immer genug Nahrung und Wasser. Man hatte Nester für die Weibchen vorbereitet. Der Raum wurde regelmässig gereinigt und es wurden Vorkehrungen gegen Fressfeinde, aber auch gegen Infektionskrankheiten getroffen. Tierärzte waren jederzeit zur Stelle.

Die Versorgungssysteme waren so konzipiert, dass sie bis zu 9.500 Mäuse gleichzeitig füttern konnten. Mehr als 6.000 Mäuse hätten gleichzeitig Wasser trinken können.

Die ersten Probleme durch ungenügenden Raum würden erst ab etwa 3.800 Mäusen entstehen.

Die maximale Populationszahl wurde aber mit 2.200 festgelegt und man ließ nie zu, dass sie überstiegen wurde.

So ging es also los:

Man setzte vier Mäusepaare ins Paradies.

Es beginnt.

Phase eins

Die vier Mäusepaare ziehen ein und beschnuppern und erkunden ihre neue Heimat mit den Unterkünften, Nestern, Leitern, Gängen, Futterstellen, Wasserstellen und Nistmaterialen. Die Päärchen richten sich ein.

Phase zwei

Nun fand die Geburt der ersten Jungen der Neusiedler statt. Und deren exponentielles Wachstum begann (das haben wir doch in diesen Tagen schon mal gehört?)

Die Zahl der Mäuse verdoppelt sich alle 55 Tage.

Aber ab dem 315. Tag veränderte sich etwas. Auf einmal verdoppelte sich die Zahl nur noch alle 145 Tage. Das war der Anfang von Phase drei.

Jetzt aber war alles noch prima, die Mäuse entwickelten sich prächtig und waren froh und gesund. Und sie benahmen sich normal.

Phase drei

Nun waren es etwa 600 Mäuse und etwas änderte sich.

Die Mäuse bildeten etwas wie soziale Klassen und entwickelten auch Regeln für die verschiedenen Klassen.

Da man viel mehr Mäusen begegnete, musste man wissen, wer wer ist, wer etwas zu sagen hat, zu welcher Gruppe jemand gehörte.

Es bildete sich eine Gruppe von Underdogs/Aussenseitern.

Man trieb sie ins Zentrum des Baus und man erkannte sie daran, dass sie zerbissen und verletzt waren wegen der vielen Angriffe.

Sie fanden keine feste Rolle in der Hierarchie.

Unter den idealen Bedingungen leben die alten Mäuse länger und es gab keinen Platz für die jungen Mäuse. Die Aggression ging meist gegen die Jungen.

Die vertriebenen Männchen zerbrachen psychisch. Ihre natürliche Aggression war nicht mehr vorhanden und sie beschützten die schwangeren Weibchen nicht mehr.

Sie übernahmen keine sozialen Rollen mehr. Ab und zu griffen sie andere Aussenseiter an. Mehr nicht.

Die nicht mehr geschützten Weibchen wurden immer aggressiver und kämpften selbst, um ihre Kleinen zu schützen.

Schließlich erweiterte sich ihre Aggression auf die eigenen Jungen.

Oft töteten sie ihre Jungen und wurden zu Einsiedlerinnen. Sie bekamen keine Jungen mehr.

Die Geburtsrate sank bedeutsam. Die Weibchen ließen die Männchen nicht mehr an sich heran.

—-

Nachdem die Weibchen sich fast alle zurückgezogen hatten, änderten sich Verhaltensweisen der Männchen weiter.

Sie kämpften für gar nichts mehr. Sie umwarben keine Weibchen mehr, zeigten kein Interesse an Paarung und entzogen sich jeder Art von Herausforderung.

Der Wissenschaftler nannte sie die Schönlinge. Die ausgestoßenen Desperados hatten ja zerbissene Schwänze und Narben, aber die Schönlinge fraßen nur, waren gesund und kümmerten sich nur um sich. Sie sahen toll aus.

Sie putzen sich die ganzen Tag und schliefen viel.

Sie zeigten deviantes sexuelles Verhalten, wurden homosexuell und hatten Spaß ohne Ende.

Letzte Phase/Todesphase

Nun gab es fast keine Geburten mehr. Das Mäusevolk bestand fast nur noch aus Schönlingen und Einsiedlerinnen.

Das durchschnittliche Mäusealter stieg dabei in ungeahnte Höhen. Sie konnten nun im Durchschnitt 776 Tage alt werden. Das sind 200 Tage mehr, als ihre Zeugungsfähigkeit dauert.

Die Jungen starben fast alle. Die wenigen Überlebenden wurden gefressen.

Schwangerschaften existierten so gut wie nicht mehr, dafür aber Kannibalismus, obwohl es genug Nahrung gab.

Calhoun schrieb schließlich:

Seit einem Jahr wurde in dem Nager-Asyl kein Nachwuchs mehr geboren; bis Anfang letzten Monats schrumpfte die Zahl der Bewohner auf 1600. Und in der verbliebenen Mäuse-Population sind mittlerweile auch die jüngsten der noch lebenden Weibchen schon in den Wechseljahren – sie werden kaum mehr fähig sein, Nachwuchs zu produzieren. Die jüngste Maus im Boarding-Haus, ist – übertragen auf die menschliche Lebensspanne – etwa 40 Jahre alt.“

Der Untergang der Mäuse war nah.

Von da an starben sie nur noch.

Die letzte Maus des Universum 25 starb am 1.780. Tag des Experiments.

Der Wissenschaftler wagte während des Niedergangs der Mäuse kleine Seitenexperimente.

Er sonderte kleine Gruppen aus und siedelte sie in einer neuen, guten Umgebung an, so wie ihre Ahnen.

Aber die Einsiedlerinnen und die Schönlinge ließen sich nicht retten. Sie veränderten ihr Verhalten nicht und erfüllten keinerlei soziale Pflichten.

Sie blieben narzisstische Einzelgänger, beschäftigten sich mit sich selbst und pflanzten sich nicht fort.

Bei keiner einzigen Gruppe gab es eine andere Entwicklung.

Alle Mäuse starben an Altersschwäche, als einsame, unsoziale unfruchtbare Wesen.

Die Mäuse hatten sich selbst ausgerottet.


Ich denke dabei daran, wie lebendig ich mich in allen Phasen meines Lebens fühlte, wenn meine Probleme einfach waren.

Wenn ich wenig hatte und mich darum kümmern musste. Und wenn ich mich um andere kümmern musste.

Ich bin nicht glücklich, wenn das Sorgen für mich selbst und die „Selbstverwirklichung“ zum Lebenszweck wird.

Und ich frage mich, in welcher der Phasen wir uns alle miteinander befinden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, ob das Grundeinkommen für alle eine gute Idee ist.

Nachwort

In den frühen 90er Jahren bemerkte ein junger japanischer Psychiater, Tamaki Saito, die Zunahme von Berichten über Kinder, die sich plötzlich abrupt und ohne ersichtlichen Grund in ihren Zimmern eingesperrt hatten.

Diese Kinder wollten nichts tun und nicht mit anderen Menschen kommunizieren.

Es war keine kurzfristige Selbstisolation.

Einige Teenager hatten sich bereits seit mehreren Jahren isoliert. Sie verließen den Raum nur zum Waschen (einmal im Monat oder seltener), öffneten die Tür nur, um sich essen zu holen, dass ihre Eltern ihnen hinstellten.

Sie zeigten Tag für Tag keinerlei Aktivität und konnten immer ruhig im Zimmer sitzen und auf die Wand schauen.

Der Psychiater entdeckte, dass dieses Verhalten zuerst in den 70er Jahren auftrat.

Er prägte den Begriff Hikikomori (Hiki), was auf Japanisch einsam sein, nach innen gekehrt sein, eingesperrt sein bedeutet.

Man weiß nicht, wie viele Hikis es gibt.

Saito vermutet, dass Hikikomori 1% der Bevölkerung (1,2 Millionen Menschen) darstellen.

2010 wurde von der japanischen Regierung gesagt, dass sich in der Bevölkerung des Landes 700.000 offizielle Hikikomori befinden. Wir alle wissen, dass die Regierung gern negative Zahlen schönt.

Heute sehen wir auch bei uns die Schönlinge . Das sind junge Menschen, die keine Ziele im Leben haben, nichts erreichen wollen, nichts tun wollen, nur nach ihren Grundbedürfnissen leben. Schlafen, Essen und Entertainment.

Die Automatisierung und Robotisierung der Produktion hat die Anzahl der Arbeitsplätze verringert. Jüngere Generationen weniger Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden.

Die Macht befindet sich in den Händen der Älteren.

Wir können auch deutlich die Einsiedlerinnen erkennen: sie entwickelten sich durch die Schwäche der Männer. Sie übernehmen die Funktion von Männern, versorgen sich und schützen sich. Sie nehmen Positionen in der Gesellschaft ein, die vorher nur Männer besetzten.

Sie werden keine Kinder bekommen. Viele von ihnen.

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Anhang:

Ich lege dir ein paar Grafiken zu unserer Bevölkerungsentwicklung dazu.

Die kannst du anschauen.

Oder es lassen.


Hikikomori – Wikipedia

Behavioral sink – Wikipedia

How 1960s Mouse Utopias Led to Grim Predictions for Future of Humanity

John B. Calhoun – Wikipedia

How 1960s Mouse Utopias Led to Grim Predictions for Future of Humanity

Universo 25: l’esperimento sull'“Utopia per Topi“ che portò all’Estinzione della Popolazione

A Comparison of Our Society with the „Mouse Paradise“ (my vision)

Gesellschaftliche Isolation – Mein Leben als Hikikomori